Die Eltern als Pflegefall – wie geht man mit dem Rollentausch um?
Die Eltern waren lange Zeit so etwas wie über Ihnen stehende Wesen. Vor allen Dingen als Kind haben Sie sie angebetet, darüber gestaunt, was Ihre Eltern alles konnten und wussten. Diese natürliche Hierarchie kann im Alter ins genaue Gegenteil umschlagen. Plötzlich wissen Ihre Eltern weniger als Sie, sie sind eventuell so desorientiert in der Welt, wie Sie als kleines Kind es einmal waren. Wie gehen Sie mit den neuen Verhältnissen so um, dass eins nicht auf der Strecke bleibt: die Würde, Ihre und die Ihrer Eltern?
Die Gratwanderung ist schwierig
Selbst wenn Ihre Eltern krank, bettlägerig und (für sie selbst nicht immer erkennbar, für Sie als Kind aber schon) weniger gut im Alltag zurecht kommen, bleiben oft die alten Rollen bestehen. Sie besuchen Ihre Eltern und als erstes wird gefragt, wieso Sie kein Halstuch tragen, wo es doch so kalt ist. Bevor Sie sich ärgern, weil Sie eigentlich gekommen sind, um den leicht chaotischen Haushalt auf Vordermann zu bringen, sollten Sie kurz inne halten. Dieses „Tuchgespräch“ ist ein – eventuell sehr wichtiges – Rudiment aus der Zeit, als Sie klein waren und solche Dinge noch nicht wussten oder entscheiden konnten. Gönnen Sie Ihrer Mutter oder dem Vater diesen „Rückfall“ in die alten Zeiten – er gibt ihnen Sicherheit und das Gefühl, wichtig zu sein.
Die Realitäten anerkennen
Dass und in welchem Umfang Ihre Eltern nun weniger fit und lebenstüchtig sind, ist zunehmend Thema für Sie und den Rest der Familie. Von daher nützt es nichts, an den alten Rollen fest zu halten. Versuchen Sie, so gut wie möglich die Pflege zu organisieren, auch mit Hilfe von „Fremdpersonal“, dabei aber auch an zu erkennen, dass es so ist: Nun sind Sie in punkto Tüchtigkeit, Tempo, Klarheit und Wissen an der Reihe, sozusagen die Vorbildrolle einzunehmen. Gehen Sie ohne Bedauern oder Groll in die neue Zeit, die auch neue Chancen der Kommunikation mit sich bringt.